Wie oft höre ich den Satz «Ich kann nichts wirklich gut» oder «Ich habe keine besonderen Fähigkeiten». Auch selbstabwertende Aussagen wie «Ach, das ist doch nichts Spezielles, das kann doch jeder» landen häufig in meinen Ohren. Und dort lösen sie zwei Dinge aus.
Erstens: Meine Forschernatur springt an. Ich nehme die Herausforderung an. Von wegen keine Stärken oder Fähigkeiten. Iwooo ….
Zweitens: Meine Seele ist berührt. Denn ich sehe in meinem Gegenüber ganz viel Besonderes, Schönheit und Einzigartigkeit.
Warum fällt es uns schwer, unsere Fähigkeiten und Stärken zu erkennen?
Zum einen wäre da ein ganz banaler Grund: Sie sind «normal» für uns. Wir sind sie gewohnt und deshalb denken wir, dass das alle anderen genauso gut können wie wir. Wenn du zum Beispiel gut rechnen kannst, dann bist du gewohnt, dass das so ist. Du machst dir keine Gedanken darüber. Es ist einfach, wie es ist. Das heisst, deine Stärke fällt dir gar nicht auf.
Zum anderen fällt es uns leichter oder wir wurden darin trainiert, unseren Fokus auf unsere Defizite zu legen statt auf unsere Stärken. Schon in der Schule konzentriert man sich häufig zu stark auf Fehler. Im Aufsatz werden die Fehler rot angestrichen, nicht das markiert, was eigentlich toll und richtig geschrieben wurde. Zumindest war das früher so. Oder wir bekommen beim Aufwachsen zu hören, wir sollen nicht angegeben, bescheiden sein, uns zurücknehmen usw. Und so lernen wir leider nicht, wie man sich mit den eigenen Fähigkeiten auseinandersetzt und diese entdeckt.
Auch unsere Biologie spielt eine Rolle. Um zu überleben, ist es wichtig zu wissen, was giftig ist und was unser Leben bedroht. Wir vermeiden, was uns schmerzt und nicht gut tut. Also wollen wir auch Fehler und deren Auswirkungen logischerweise vermeiden und richten unsere Wahrnehmung danach: auf die Defizite.
Ein weiterer Grund ist unser Umfeld. Wir brauchen eine Gelegenheit, um unsere Stärken und Begabungen zu entdecken. Dass eine Tänzerin in dir steckt, kannst du erst erfahren, wenn du die Möglichkeit hast zu tanzen. Um dein Interesse und Talent für Chemie zu entdecken, brauchst du erst Kontakt mit diesem Thema. Das bedeutet, dass auch andere Menschen wichtig sind, um in uns den Funken zu wecken.
Was können wir nun tun, um unsere Fähigkeiten und Stärken besser zu erkennen?
Wir können uns fragen:
- Ist diese Stärke wirklich so verbreitet? Wie viele Menschen in meiner Familie oder im Büro können das genauso gut?
- Warum werte ich mich im Gespräch gerade ab? Welcher Glaubenssatz steckt dahinter?
oder
- Frage jemanden, dem du vertraust, welche Stärken er/sie an dir mag.
- Schreibe dir täglich abends drei Dinge auf, die du gut (nicht perfekt!) gemacht hast.
Beginne jetzt gleich damit, deinen Fokus auch auf deine Stärken und Fähigkeiten zu legen, indem du jetzt eine Stärke von dir aufschreibst. Und wer weiss, vielleicht springt auch deine Forschernatur an …